Journalist vs. Journalist. Alle verlieren.

So, jetzt reicht es aber wirklich: Auf der Webseite des Journalist, der Publikation des Deutschen Journalistenverbandes (Disclosure: dessen Mitglied ich bin), wurde, wie inzwischen wahrscheinlich alle wissen, über einen jungen Kollegen geschrieben, der offenbar in mehreren Texten Zitate zumindest eines, möglicherweise aber mehrerer nicht existenter Experten benutzt hat. Das ist selbstverständlich eine Geschichte, die man schreiben muss.

Nun haben die Journalisten des Journalist das so versemmelt, wie man es nicht versemmeln darf. Zur Anschauung habe ich den Artikel zumindest mal oberflächlich kommentiert (in eckigen Klammern). Here we go:

Erfundene Zitate [Schon die Dachzeile ist falsch. Noch weiß man nicht, ob die Zitate erfunden sind oder der Zitatgeber ein Betrüger war, aber die Zitate abgegeben hat. Hier hätte zumindest ein Fragezeichen hin gehört. Richtig wäre gewesen „Falsche Experten-Zitate“. Oder so.]

Welt-Gruppe und Südkurier trennen sich von freiem Autor

Der freie Autor Sebastian W–––––––– [Unkenntlichmachung von mir, hier steht im Original der volle Name des Kollegen, der hier nicht hätte genannt werden dürfen] hat offenbar [der Fairness halber hätte hier entweder ein „möglicherweise“ hin gehört, oder ein angeblich, falls es jemand behauptet] Zitate frei erfunden [Sebastian W. behauptet dagegen, er hätte nie Zitate erfunden, sondern wäre einem Hochstapler aufgesessen. Das hätte Der Journalist wissen können, wenn er die Einlassung des Betroffenen eingeholt hätte, was selbstverständlich hätte geschehen müssen. Offenbar hat der aber nach Ansicht der Journalist-Redaktion auf Anfragen nicht schnell genug reagiert (zwischen der Anfrage und dem Erscheinen des Artikels lagen 26 Stunden – angesichts der tatsache, dass die Geschichte Monate alt ist, ist das nicht unbedingt viel Zeit. Ich halte es für zu wenig Zeit)] – und die entsprechenden Texte an Spiegel Online, Welt Online und Südkurier verkauft. Springer erstattete Strafanzeige [allerdings erstattete Springer Strafanzeige gegen Unbekannt, nicht gegen Sebastian W. – Bis hier geht der Vorspann der Geschichte, deshalb wiederholt sich gleich ein Teil beim Beginn des Lauftextes].

Mindestens drei Redaktionen in Deutschland haben offenbar Artikel veröffentlicht, in denen Zitate frei erfunden waren [Natürlich ist der Satz, wie er hier steht, immer noch journalistisch falsch]. Nach Recherchen des Medienmagazins journalist und von MDR Sputnik hat der freie Autor Sebastian W–––––– [wieder die volle Namensnennung, wie im Folgenden noch mehrmals] unter anderem an Spiegel Online, den Südkurier und an Welt Online Texte verkauft, in denen sich ein Experte äußert, der womöglich gar nicht existiert. Die Redaktionen selbst haben von dem Verdacht unter anderem durch den Deutschen Presserat erfahren [übrigens im Dezember. Insofern war die Geschichte nicht so dringend, dass man auf die Antwort von Sebastian W. auf die Anfragen nicht noch ein bisschen hätte warten können].

„Recherchen der Welt-Gruppe haben den Verdacht bestätigt und darüber hinaus Zweifel an der Existenz weiterer von Herrn W–––––– zitierten Experten aufkommen lassen“, so Christian Garrels vom Axel Springer Verlag. Über die Zahl der betroffenen Texte machte Garrels keine Angaben. Offenbar hat der Autor aber nur vereinzelt Zitate erfunden, so dass der Betrug lange unentdeckt blieb [Das ist ein ungeheuerlicher Satz. Wenn der zitierte Springer-Vertreter keine Angaben macht, woher stammt dann die Einschätzung „offenbar“? So, wie es da steht, muss es eine Einschätzung der Redaktion sein, was sich ja auch manifestiert in der Feststellung, der Kollege „hat“ erfunden statt „hat möglicherweise“ oder „habe erfunden“. Und ganz schlimm wird es bei der Feststellung „so dass der Betrug lange unentdeckt blieb“ – das ist eine Vorverurteilung für eine konkrete Straftat. Nach Ansicht der Journalist-Redaktion hat Sebastian W. betrogen, und das ist nun wirklich eine Feststellung, die in diesem Land nicht Reporter treffen sondern Richter in einem Urteil]. Die Artikel – so heißt es aus einer der betroffenen Redaktionen – wären auch ohne die beanstandeten Passagen ausgekommen. Es handle sich also nicht um einen weiteren Fall Tom Kummer [hier fehlt der Hinweis, was ein „Fall Tom Kummer“ ist. Nur nebenbei]. Trotzdem haben die drei Medienunternehmen Konsequenzen gezogen.

„Da aus unserer Sicht ein schweres Fehlverhalten gegen Vertragsverpflichtungen und journalistische Grundsätze, insbesondere den Pressekodex, vorliegt, haben wir die Zusammenarbeit mit dem Autor sofort beendet, die von ihm erstellten Artikel vorsorglich offline gestellt und Strafanzeige erstattet“, so Garrels [Strafanzeige gegen Unbekannt, wohlgemerkt]. Auch im Archiv von Spiegel Online findet man nur noch einen Bruchteil der Veröffentlichungen des Autors. Die stellvertretende Redaktionsleiterin wollte sich zu dem Fall aufgrund eines „schwebenden Verfahrens“ nicht äußern [warum klingelt es bei einem Autoren nicht, wenn er das schreibt, nur ein paar Zeilen unter der eigenen Vorverurteilung?]. Der Südkurier hat die Zusammenarbeit mit W––––––– ebenfalls eingestellt.

Gegen alle drei Unternehmen hat der Presserat eine Rüge geprüft, aber verworfen. Nach Informationen des Medienmagazins journalist und von MDR Sputnik konnte das Gremium kein Fehlverhalten der Redaktionen selbst feststellen.

Der Autor Sebastian W–––––––– ist erst 25 Jahre alt und studiert an der Katholischen Universität Eichstätt Journalistik [was genau diese Identifizierung noch soll ist mir schleierhaft]. Trotzdem ist er kein Anfänger [da habe ich Einwände zur Definition von Anfänger, aber gut, was solls]. Auf seiner Internetseite listet er etwa 400 selbstverfasste [Ach so?] Artikel auf – unter anderem im Tagesspiegel, bei Stern Online, in der Zeit, in der Saarbrücker Zeitung und im Flensburger Tageblatt. Allein im Dezember 2007 brachte W–––––––– es laut seiner Webseite auf 25 Veröffentlichungen. Im vergangenen Oktober erhielt er den mit 1.500 Euro dotierten Kulturpreis des Rotary-Clubs Mittelholstein. Außerdem belegte er 2004 den dritten Platz beim Schülerzeitungswettbewerb des Spiegels in der Kategorie Reportage.

Sebastian W––––––––– war trotz mehrerer Anfragen per E-Mail und Telefon für eine Stellungnahme nicht zu erreichen [das finde ich ein bisschen perfide, denn die mehreren Anfragen kamen offenbar alle an einem einzigen Tag, und freie Journalisten sind auch manchmal einen Tag nicht zu erreichen. Sie sind auch keine Pressestelle, die erreichbar sein müsste. Aus meiner Sicht spielt dieser Satz eine Fairness vor, die es so nicht gegeben hat].

Update 26.3.2010, 17.50 Uhr: Kurz nach Veröffentlichung hat sich Sebastian W–––––––– beim journalist mit folgendem Hinweis gemeldet: „Ich darf bereits jetzt klarstellen, dass gegen mich nicht strafrechtlich ermittelt wird.“ [Ich kann nicht sagen, warum man beim Journalist diesen Hinweis nicht zum Anlass genommen hat, sich zu berichtigen. Aber es wäre nötig gewesen]

Um das klarzustellen: Ich habe keine Ahnung, was sich Sebastian W. hat zuschulden kommen lassen. Aber es reicht auch, ihm sein Fehler um die Ohren zu hauen, wenn man weiß, welche es sind. Und dass ausgerechnet das Organ des Verbandes, der die Rechte von Journalisten schützen soll, die Rechte eines Kollegen verletzt, ist furchtbar.

Nun hatte der Verband ein paar Tage Zeit, darüber nachzudenken und sich durchzulesen, wie zum Beispiel bei Stefan Niggemeier zu dem Fall diskutiert wird (hier und hier). Und dann haben sie darauf reagiert, in einer Stellungnahme (weil ich schon wieder an meinem laubsägegearbeiteten Blog scheitere nur der Hinweis, dass sie von den Kommentaren bei Niggemeier aus als PDF herunterladbar ist). Die entscheidenden Sätze in der Stellungnahme des DJV-Vorstandes sind:

Der BJV-Vorstand hat sich als Herausgeber des journalist die Rechchercheunterlage [sic!] vorlegen lassen. Er hat nach Prüfung der Unterlagen und der daraus resultierenden Fakten keinen Grund, an dem Kern des Beitrages „Welt-Gruppe und Südkurier trennen sich von freiem Autor“ (www.journalist.de) zu zweifeln.

Und ein paar Absätze später:

Der DJV-Bundesvorstand bedauert, dass die Frist zwischen Bitte um Stellungnahme an Sebastian W–––––– [Unkenntlichmachung von mir] (25. März) und Veröffentlichung des Online-Beitrages (26. März) den Eindruck erweckt, als habe Sebastian W––––––– keine Stellungnahme mehr abgeben können. Dieser Eindruck schadet dem Beitrag und bietet Kritikern Gelegenheit, die Inhalte insgesamt zu relativieren.

Meinen ersten Gedanken, nachdem ich das gelesen habe, darf man wahrscheinlich nicht schreiben, aber es war ein Zitat von Rahm Emanuel. Hier ist der zweite Gedanke, zur Sache:

Lieber DJV-Bundesvorstand, ich hoffe, ich habe oben deutlich gemacht, dass es genug Gründe gegeben hat, an diesem Artikel zu zweifeln. Und ich verstehe den Hinweis, dass die Fakten keinen Grund geben, „am Kern des Artikels zu zweifeln“ doch richtig wenn ich meine, dass der Artikel durchaus Raum für einige Zweifel in den Randbereichen zulässt? Das wäre aus meiner Sicht richtig, denn was auch immer Sebastian W. getan hat, gelten doch für den Umgang mit ihm die Regeln unseres Gewerbes. Und, verdammt, ausgerechnet der DJV-Bundesvorstand ist dafür da, für die Einhaltung dieser Regeln in jedem einzelnen Fall zu kämpfen. Gerade dann, wenn Journalisten unter Druck geraten, ob selbstverschuldet oder nicht.

Der Satz, der mir von Ihnen fehlt ist: Wir haben Fehler gemacht und dafür möchten wir uns entschuldigen.

Das wäre auch der Satz, der mir ein wenig Vertrauen in meinen eigenen Verband zurückgeben würde. Leute, Ihr seid für uns da. Also dafür, dass wir ordentlich arbeiten können. Nicht dafür, dass Ihr uns als erste schlachtet, wenn wir Fehler machen.

Ich weiß nicht, ob Sebastian W. Mitglied im DJV ist, aber wenn, dann könnte er vielleicht mithilfe des Verbandes juristisch gegen die Berichterstattung über ihn vorgehen?

27 Antworten auf „Journalist vs. Journalist. Alle verlieren.“

  1. Besonders auffällig finde ich (bei Niggemeier) die vielen Kommentare von Leuten, die einfach nicht verstehen, dass man die Berichterstattung kritisieren kann, ohne gleichzeitig zu behaupten, W sei an allem völlig unschuldig. Besonders intellektuell entblößt hervorgetan hat sich da mal wieder Herr Altrogge.
    Nimmt jemand Wetten darüber an, wie oft der Verfasser hier noch erklären muss, dass es ihm nicht darum ging, W von allen Vorwürfen freizusprechen, sondern nur darum, faire Berichterstattung einzufordern?

  2. Das Armselige an der ganzen Geschichte ist ja mittlerweile, dass Journalismus offfenbar in keinem Fall eine Lösung ist. Zum einen findet er nicht wirklich statt – wie in der ersten Eskalationsstufe des Falls SW mit der zweifelhaften Berichterstattung von journalist & meedia. Zum anderen wird er dann plötzlich unmöglich, wenn’s spannend wird („Was ist eigentlich passiert?“), weil dann nur noch die Anwälte sprechen und alle, Gute wie Böse, nur noch Angst haben (z.B. meedia, die die Arbeit einstellen und den Beitrag nicht etwa überarbeiten sondern aus juristischen Gründen offline stellen).

  3. Oh, Verzeihung, gerade gesehen, dass der meedia-Beitrag wieder online ist. Allerdings deutlich (juristisch?) überarbeitet.

  4. @Jokahl: Putzig, dass Meedia offenbar die Kritik von Stefan Niggemeier weitgehend umgesetzt hat, nachdem Herr Altrogge sie doch noch vor Kurzem so empört zurückweisen musste. Oder kommt mir das nur so vor?

  5. @Muriel: Ich nehme an, dass sowohl juristische Erwägungen als auch SN-Tipps eingeflossen sind. Und auch, dass sie den Beitrag überhaupt nur deshalb wieder fahren, weil SW trotz Niggemeier-und-Pantelouris-Verteidigungsarmee so in Deckung geht. So ein Verhalten schreit ja geradezu nach Verdachtsberichterstattung.

  6. Ich verstehe wirklich nicht, wie Ralf Geißler das passieren konnte. Der Journalist-Autor ist doch auch Nachrichtenredakteur bei einem öffentlich-rechtlichen Info-Radio, wurde als Dipl. Journ. in Leipzig intensiv zu solchen Fragen (s. Text) beschult und hat da wohl auch zwischenzeitlich gelehrt. Nachrichtenredakteure kenne ich eher als sehr sehr nüchterne Journalisten.

  7. @jokahl: Nur, damit das mal gesagt ist: Verdachtsberichterstattung in diesem Fall ist auch völlig in Ordnung – nur hätte man a) den Verdächtigen zu diesem Zeitpunkt nicht identifizierbar machen dürfen und müssen und b) den Verdacht richtig benennen müssen. Dass Verdachtsfälle gegen Journalisten, die falsch arbeiten, öffentlich behandelt werden sollen ist meiner Ansicht nach absolut richtig. Wir arbeiten in der Öffentlichkeit und müssen uns gerade wegen unserer privilegierten Stellung eine besondere Aufmerksamkeit gefallen lassen. Da sind wir quasi Mandatsträger.

  8. @jokahl: Vielleicht sehe ich ja nicht richtig hin, aber ich kann keine „Verteidigungsarmee“ erkennen. Finden Sie (Oder duzen wir uns hier? Weiß man ja nie so genau.) irgendwo in Niggemeiers oder Pantelouris‘ Texten irgendwo eine „Verteidigung“ Ws, die darüber hinausgeht, offenkundige journalistisch Ausfallerscheinungen in der Berichterstattung über seinen Fall zu kritisieren?

  9. Verdachtsberichterstattung ist eben verdammt anspruchsvoll. Von der Recherche her, weil kein Fehler verziehen wird – bzw. die Ermittlungen auch in die eigene Richtung lenken kann, wie wir ja gerade gelernt haben. Und oft persönlich heikel sowie frustrierend, weil alle immer gleich zum Anwalt rennen.

  10. @Thomas: Ich weiß natürlich auch nicht, wie es passieren konnte – es sollte nicht passieren können – aber der Fehler liegt nicht nur bei dem Autor, sondern auch bei der Instanz, die den Text redigiert hat. Da steckt ein wichtiger Schritt drin, denn es sind zwei völlig unterschiedliche Arbeitsmodi. Ich kann mir vorstellen, dass dem Autor, wenn er den Text nicht hätte schreiben sondern redigieren sollen, alle Fehler sofort aufgefallen wären. Es klingt ein bisschen übertrieben, aber es ist meine Erfahrung, dass sich überhaupt niemand selbst redigieren kann. Insofern sagt die Tatsache, dass jemand einen Text mit redaktionellen Fehlern schreibt nichts über seine Fähigkeiten als Redakteur.

  11. @Muriel: Das mit der Armee ist vielleicht ein wenig ungelenk ausgedrückt. Aber die vielen für SW positiven Stellungnahmen zur unfairen Berichterstattung wären eine sehr gute Grundlage für ihn, die eigentliche Geschichte zu erzählen (oder zu klären, dass es gar keine ist, was auch immer) – gewesen mittlerweile.
    Und Auslöser der ganzen Sache war ja, dass SW fehlende Möglichkeit zur Stellungnahme monierte.

  12. @jokahl: Na gut, ja. So gesehen ist es tatsächlich seltsam, dass er die nun reichlich vorhandenen Möglichkeiten nicht nutzt. Wobei ich ihm das als Anwalt vielleicht auch nicht empfehlen würde. (Ich bin keiner, falls das gerade so geklungen haben sollte.)

  13. @Muriel: Ist sein gutes Recht, zum Anwalt zu rennen und nur durch ihn zu sprechen. Aber dann war das alles hier und anderswo eben ein wenig für die Tonne, als Journalisten über Journalisten schrieben, die über einen Journalisten schrieben, der für sich in Anspruch nahm, dass er nicht gehört wurde und nun eben nicht mehr will.

  14. @jokahl: Ich für mich hätte nicht einmal dann das Gefühl, dass die Diskussion für die Tonne war, wenn sich nie klären ließe, was da genau passiert ist. Denn mir geht es – ehrlich gesagt – nicht darum, was SW getan oder nicht getan hat, sondern um guten Journalismus. Denn dein allererster Hinweis ist ja richtig: Schlechter Journalismus hat keine Antworten auf Fragen und damit auch keine gesellschaftliche Funktion mehr. Guter Journalismus kann eine Menge bewegen (zumindest hoffe ich das …). Ich glaube, wir müssen das Recht und die Möglichkeiten verteidigen, guten Journalismus zu machen (dabei ist auch die Hilfe von Verbänden grundsätzlich wichtig …) – allerdings ist das Recht aus meiner Sicht auch verbunden mit der Pflicht, es auch zu nutzen.

  15. @Mikis: Hmmh…, aber war nicht der maßgebliche Auslöser, dass dem „journalist“-Autor neben anderen Dingen vor allem vorgeworfen wird, SW keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben? Oder keine ausreichend lange? Immerhin hat Geißler von Anfang an behauptet, dass SW seiner Ansicht nach gar nicht mit ihm reden wollte, er wirklich versucht hat, SW zu erreichen. Das erschien mir am Anfang auch als dürftige Ausrede, wird jetzt aber glaubwürdiger.

  16. @jokahl: Danke für den Hinweis, denn dann muss man das noch einmal klarstellen, genau darüber reden wir: Wenn der Autor der „journalist“-Geschichte seinem Gegenüber nicht genug Zeit lässt zu antworten, weil er meint, er wüsste schon, dass der nicht reden will, dann ist das keine saubere journalistische Arbeit – selbst wenn sich herausstellt, dass er recht hat. Genau wie SW keine Zitate erfinden dürfte, selbst wenn er wüsste, was sein Gesprächspartner sagen wird – und dabei recht hat. Recherche muss ergebnisoffen geführt werden, auch wenn viele, viele Profis in ihren Spezialbereichen natürlich bei fast jedem ihrer Gesprächspartner lange vorher ganz genau wissen, was die wieder sagen werden. Noch einmal: Ich weiß nicht, welche Fehler SW gemacht hat. Natürlich sieht es auch für mich nach der Nachrichtenlage, wie ich sie kenne, so aus, als hätte er ganz gravierende und möglicherweise unentschuldbare Fehler gemacht. Und er soll die Konsequenzen tragen. Aber das rechtfertigt keine Vorverurteilung, in den Medien so wenig wie vor einem Gericht.

  17. @mikis: „Wenn der Autor der “journalist”-Geschichte seinem Gegenüber nicht genug Zeit lässt zu antworten, weil er meint, er wüsste schon, dass der nicht reden will“

    Das wäre natürlich journalistischer Selbstmord, aber so hat er es wohl nicht gesagt sondern kundgetan, dass er SW auf verschiedenen Wegen versuchte zu erreichen während der angeblich nichts von sich hören ließ, aber im Gegenzug über den „journalist“ recherchierte (Xing-Account).

    Aber irgendwie ist das alles ja jetzt auch egal. Nur immer wieder interessant, wie Menschen und Medien damit umgehen, wenn es Probleme gibt, das ist oft aufschlussreicher als die mutmaßlichen Probleme selbst.

  18. @jokahl: Er hat es angeblich auf verschiedenen Wegen versucht, aber diese alle innerhalb von ungefähr einem Tag. So habe ich es jedenfalls verstanden, und so ist es in meinen Augen eindeutig nicht in Ordnung, wie mikis schon sagte, ganz unabhängig davon, ob SW sich heute, morgen oder in Jahren noch äußert.

  19. @Muriel: „…eindeutig nicht in Ordnung…ganz unabhängig davon…“. Im vorliegenden Fall neige ich auch dazu. Allerdings mittlerweile nur noch, weil der Journalismus noch in vielen anderen Punkten fragwürdig war. Und weil das hier schließlich kein Watergate war oder ist – bei echten Investigativgeschichten empfiehlt es sich ja geradezu, erst zum spätestmöglichen Zeitpunkt offiziell anzufragen, weil die Story sonst oft gleich mit juristischen Mitteln verhindert wird.
    Aber klar, auch für SWgate gilt: Hinterher bin auch ich erst schlauer geworden.

  20. Viel Lärm um Nichts: Wirtschaft und Journalismus funktionieren doch nach dem gleichen Prinzip:

    „Ein bisschen Sein, ein bisschen Schein, ein bisschen Schwein.“

    Dieses „Die Sau durchs Dorf treiben“, und dabei unter dem kuscheligen Deckmantel einer “ hehren Schreiberethik“ jemanden derart blos zu stellen ist doch arm.

    Wer will sich da wirklich drüber aufregen, ob jemand mit 25 ein bisschen geschummelt oder nicht? Pffff. Da lacht sich ein Herr U. P——— ja tot drüber! Schreiben ist halt Business.

    Wenn F. S————- seine „Internet-Theorien“ mit
    angeblichen Expertenmeinungen versucht zu belegen, ist das zwar eleganter, aber letztlich auch nur gezielte Beeinflussung „am Leser“. Regt sich jemand darüber auf (außer T. K——- ?).
    Nein.

    So ein riesen Fass aufzumachen belegt doch nur Eines: eine panische Grundstimmung bei ein paar Leuten in der Branche, die diesen Anlass doch nur nutzten, um den eigenen Druck abzubauen, indem man einen jungen Kollegen so in die Pfanne haut.

    Arm. Hoffentlich legt sich der Trubel bald, und der junge Mann findet einen Chef, der die Dinge so betrachtet wie ich: “ Der Ehrgeiz ist offensichtlich da, die Schreibe ist gut, und über den Rest wird schmunzelnd ein Schwamm drüber gelegt.“

  21. @jokahl: ganz ehrlich, ich würds machen. jetzt.

    1. weil diese Hexenjagd schäbig ist, da haben andere schon ganz andere Leute Dinger gerissen, die jetzt schön etabliert sind, und die offensichtlich Glück hatten, dass es damals das Internet als Pranger/Megafon noch nicht gab.
    2. weil der Herr imo eine ganz gute Schreibe hat
    3. weil mir die entsprechende PR für lau gut gefallen würde (ist halt auch Geschäft, warum soll man um den Brei reden )

    Leider sitz ich aber nicht an den entsprechenden Reglern das zu tun!

    Die Zeiten sind unsicher und der Herr ist noch jung… ist halt ein schmaler Grat, heute mehr als früher.
    Wer deswegen öffentlich die Moralkeule schwingt und ganz offensichtlich dabei so weit geht, eine Existenz in diesem Berufsumfeld zu vernichten, der ist einfach ein Arschloch.

  22. Herr W. war 2005 im Vorstand der Jungen Presse Köln e.V., und hat nicht nur den Verein finanziell kaputtgewirtschaftet, sondern etlichen freien Mitarbeitern die Lust am Schreiben und Zeitungsmachen verlitten. Es braucht an dieser Stelle nicht auf Details eingegangen werden, Herr W. wird wissen was gemeint ist, wenn er dies liest (und er liest das hier mit Sicherheit). Ich habe Herrn W. als ziemlich charakterlose, feige und dabei in der Durchsetzung seiner Interessen absolut skrupellose Person kennengelernt, und war ehrlich überrascht von soviel intriganter Energie (uns war er damals charakterlich der Prototyp des BILD-Zeitungsmitarbeiters). Ob an den Vorwürfen etwas dran ist sei dahingestellt, einigen Freunden aus Köln und mir erscheint die aktuelle Lage dieses Menschen als poetische Gerechtigkeit (und das sage ich völlig ohne Schadenfreude). Irgendwann kommt nunmal alle negative Energie, die man so ausgeteilt hat, zu einem zurück. Dem guten Journalismus hierzulande schadet es sicher nicht, wenn er ohne Herrn W. stattfindet.

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