Bedeutet Wikileaks, klassischer Journalismus ist überholt?

Es ist eine Diskussion über den Berufstand der Journalisten entbrannt, seitdem die Organisation Sunshine Press über ihre Seite Wikileaks vor einer guten Woche das Videoband aus der Bordkamera eines US-amerikanischen Militärhubschraubers veröffentlichte, auf dem zu sehen ist, wie die Besatzung Feuer auf eine Gruppe Männer und (in einem Transporter nicht zu sehender) Kinder eröffnet. Bei dem Angriff kamen mindestens zwölf Menschen ums Leben, darunter auch zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters. Auf der Tonspur des Videos ist zu hören, wie sich die Soldaten gegenseitig zu den „guten Schüssen“ gratulieren. Es ist schwer erträglich. Und aus Nachrichtensicht ist es eine Sensation, denn das US-Militär hatte immer behauptet, die Handlungen wären im Rahmen der internationalen Regeln und der eigenen „Rules of Engagement“ verlaufen und die Toten hätten eine direkte Bedrohung für die Soldaten dargestellt. Das Video erzählt eine andere Geschichte. Offensichtlich halten die Hubschrauberbesatzungen die Kameras der Reuters-Mitarbeiter für Sturmgewehre und Panzerfäuste, aber sie eröffnen das Feuer auch dann erneut, als ein Van vorfährt, dessen Insassen offensichtlich nur den verletzten Kameramann mitnehmen wollen. Wikileaks richtete eine extra Seite für das Video ein, unter dem wenig subtilen Titel „Collateral Murder“.

Natürlich ist das eine große Geschichte, und die klassischen Nachrichtenorganisationen überall auf der Welt haben mit dieser Geschichte aufgemacht. Die Frage, die für Journalisten bleibt ist aber: Warum hatte nicht einer von uns dieses Video zuerst, irgendein Reporter einer angesehen Zeitung oder eines Fernsehsenders, ein Journalist, der für seine Enthüllungen berühmt ist – sondern eine durch Spenden finanzierte Webseite, die überhaupt keinen Hehl daraus macht, dass zu ihren Unterstützern eine Reihe von Organisationen mit einer politischen Agenda gehören?* Ist das, wie manche Kommentatoren mutmaßen, ein Beweis dafür, dass Informanten ihre Enthüllungen nicht mehr „der Presse“ anvertrauen wollen? Haben sie den Glauben an die Journalisten oder ihre Öffentlichkeitsmacht verloren?
Es sieht tatsächlich so aus, und ich sehe nicht, was „die Presse“ – und dazu zähle ich mich – gewinnen könnte, wenn sie das einfach immer weiter bestreitet. Wikileaks hat die Authentizität des Videos verifiziert, einordnende und erklärende Kommentare in das Video gebaut und es mit Untertiteln ausgestattet, die den Funkverkehr zwischen Schützen, Piloten und ihrem Offizier im Hauptquartier verständlich machen. Das ist ordentlicher Journalismus (und tatsächlich wird die Seite ja nach ihrer Selbstauskunft unter anderen von Journalisten betrieben). Wer Journalismus als die Aufgabe versteht, die Öffentlichkeit umfassend über alles zu informieren, was auf der Welt an wichtigen Ereignissen passiert, der kann sich über den Umgang mit diesem Fall eigentlich nur freuen.


Auf den ersten Blick schadet er der klassischen Presse trotzdem: Ein weiterer Nagel in den Sarg, der aus der Überzeugung gebaut wird, dass es den Journalismus, wie er ist, wohl bald nicht mehr braucht. Ein weiterer Nagel geformt aus dem Misstrauen, dass die klassischen Redaktionen und Reporter in dem, was sie tun, eigentlich nicht mehr besonders gut sind – sei es wegen mangelnder finanzieller und zeitlicher Möglichkeiten, wegen einer tieferen politischen Agenda oder aus perönlichem Unvermögen und Schludrigkeit. Warum hatte keiner von uns das Video? Nun, vielleicht gehört zur Antwort auch, dass wir uns eingestehen, dass unsere Aufgabe im Gegensatz zu der von Wikileaks – deren einzige Funktion darin besteht, bislang unbekannte Dokumente zu veröffentlichen – nicht so klar und eindeutig ist, wie wir es gerne hätten.

Ein Beispiel aus dem direkten Umfeld verdeutlicht das meiner Meinung nach: Im Dezember führten unter anderem der US-Sender ABC, die britische BBC und die ARD gemeinsam eine Umfrage in Afghanistan durch. Damals beurteilten 70 Prozent der Befragten die Entwicklung in Afghanistan optimistisch, und diese überraschend positive Zahl fand sich nach ihrer Veröffentlichung in vielen Nachrichten (z. B. hier und hier). Drei Monate später, am 11. März 2010, stellte eine „Red Cell“ genannte Gruppe bei der CIA ein Dossier zusammen, in dem Wege vorgeschlagen wurden, wie die Anti-Kriegs-Stimmung der Bevölkerungen vor allem in Frankreich und Deutschland begegnet werden könnte. Ein Vorschlag darin: Auf den hohen Optimismus der Afghanen hinsichtlich der ISAF-Mission hinzuweisen könne nach Ansicht der CIA gut genutzt werden, um „den Aussagen der Kritiker [zu widersprechen], die Mission sei eine Verschwendung von Ressourcen.“ Die 70 Prozent Optimismus sollten genutzt werden, um den Deutschen zu vermitteln, dass ihr Engagement wirke. Das Dokument kann seit dem 26. März auf Wikileaks heruntergeladen werden.

Doch vorher hatte die Bundesregierung offenbar schon auf die Erkenntnisse aus Amerika reagiert: Jedenfalls erschien am 15. März in der FAZ ein Meinungsbeitrag der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper (FDP), in dem sie für den Afghanistan-Einsatz warb. Zitat:

Jüngste Umfragen zeigen: Unser Engagement wirkt! Über 70 Prozent der Afghanen blicken optimistisch in die Zukunft, ebenso viele Menschen bewerten die Schulversorgung in ihrem Umfeld positiv.

Außerdem schlagen die CIA-Denker vor, die erneute Gefahr durch den Terrorismus im Fall eines Abzuges zu betonen und sie gehen davon aus, dass „eine Betonung der multilateralen und humanitären Aspekte [der Mission] helfen könnte, die Abneigung der Deutschen gegen jede Art von Kriegführung besänftigen und an ihren Wunsch appellieren könnte, an multinationalen Missionen teilzunehmen.“ Bei Cornelia Pieper findet sich das vier Tage später so:

Afghanistan nach mehr als 20 Jahren Krieg und Zerstörung wieder aufzubauen und die Gefahr des Terrorismus einzudämmen – mit diesem Ziel ist die internationale Gemeinschaft seit 8 Jahren in Afghanistan aktiv.

Und, um es gleich vorweg zu sagen: Das ist überhaupt kein Skandal. Im Gegenteil: Die CIA ist genau dafür da, die US-Regierung über die Lage, auch die Stimmungslage, in der Welt zu unterrichten, und die Schlüsse, die sie ziehen, sind einigermaßen vernünftig, wenn man denn PR für den Einsatz in Afghanistan machen will. Es kann auch durchaus sein, dass das Auswärtige Amt ohne jede Hilfe aus Langley oder Washington auf dieselben Argumente gekommen und der zeitliche Zusammenhang ein Zufall ist. Aber das Ergebnis bleibt: Die FAZ sieht bei einem oberflächlichen Blick für den Leser plötzlich aus wie eine Abwurfstelle für Regierungspropaganda. Und Wikileaks sieht aus wie eine Organisation, die solche Propaganda entlarvt.

Das Grundmisstrauen gegenüber Staaten und Politikern wird längst auf die Presse ausgedehnt. Auf gefühlt unabhängige Webseiten aber nicht. Das war einmal genau anders herum: Bisher galt eher das Credo, dass „im Internet jeder schreiben kann, was er will“, während in der Presse sorgfältig geprüft wurde. Diese Zeit scheint nun vorbei.

Ich bin überzeugt, dass hierin eine Lehre steckt, über die es sich lohnt nachzudenken. Es scheint für mich so, als würden die Leser heute hinter einer Webseite eher einen Menschen vermuten, den man ansprechen kann, als hinter einer Verlagsmauer oder in einer Senderzentrale. Die journalistischen Institutionen und ihre Insignien verlieren ihren vertrauenerweckenden Status an jene, die einfach erreichbar sind. Mensch schlägt Medienmaschine. Das ist keine schlechte Nachricht. Wenn man richtig damit umgeht.

*Um diesen Satz ist, wie in den Kommentaren nachzulesen, eine kleine Diskussion entbrannt. Deshalb zur Klarstellung: Dass sich die Seite durch Spenden finanziert heißt nicht, dass sie sich von diesen Spendern abhängig macht, sondern nur – genau anders herum –, dass diese Spender in der Seite offenbar eine unterstützenswerte Einrichtung sieht. Etwas anderes wollte ich nicht behaupten, aber offenbar ist mein Satz missverständlich formuliert.

38 Antworten auf „Bedeutet Wikileaks, klassischer Journalismus ist überholt?“

  1. Als nächstes wären demnach die Journalisten dran, ihre Aufgaben etwas klarer zu definieren, und Verlage und Sender müssten sich endlich langsam überlegen, woher sie zukünftig ihre Daseinsberechtigung nehmen wollen. Und dafür sorgen wollen, dass hinter starren Mauern wieder ansprechbare Menschen vermutet werden – außer Leserbriefschreibern im Rentenalter tut das nach meinem Eindruck leider kaum jemand mehr.

    Gerade das Internet hat mit Watchblogs u.a. daazu beigetragen, dass die „klassische“ Presse misstrauischer beäugt wird. Zum Glück. Andererseits sind wir nun an einem Punkt, an dem das Internet bald zu viel Vertrauen genießt, siehe auch die von Dir zitierte „Unabhängigkeit“ von Wikileaks.

    Danke für den Artikel!

  2. Zitat: „Es scheint für mich so, als würden die Leser heute hinter einer Webseite eher einen Menschen vermuten, den man ansprechen kann, als hinter einer Verlagsmauer oder in einer Senderzentrale.“

    In der Tat, das ist so. Und wir alle haben fleißig dazu beigetragen. Unsere Presse ist abhängig: von Werbung ebenso wie von Schlagzeilen. Beides ist nicht schlimm, wenn man es sich bewusst macht. Bei der Werbung tut das jeder, bei den Schlagzeilen liegt der Fall anders. Diese Abhängigkeit wird sich – mit ihren Konsequenzen – seltener eingestanden. Zwar fordert jeder gute Journalist gute Schlagzeilen und würde die Jagd danach als etwas Positives beschreiben. Tatsächlich verhält es sich damit aber eher wie mit der Beziehung zwischen Junkie und Heroin. Die Presse braucht die Schlagzeilen ebenso regelmäßig wie der Junkie den Stoff, selten ist der erhoffte Kick so gut wie beim ersten Mal. Und wer keine Schlagzeilen liefert, geht so schnell kaputt wie der Drogenabhängige ohne seine Droge. Und deswegen nimmt man, was man kriegen kann. Und senkt seine Maßstäbe an die Qualität des Stoffes.

    Und auch die Außenwirkung ist der des Junkies nicht unähnlich: Befremden bis Ablehnung – und jeder weiß, dass eine dauerhafte Beziehung zum Junkie einen selbst nicht weiter bringt.

    Die professionellen Dealer für die Presse sind: Politiker, Lobbyisten, PR-Agenturen. Ihr Erfolg gründet sich einzig auf der Abhängigkeit der Presse nach Schlagzeilen.

    Und da ist es für mich kein Wunder, dass eine Website wie wikileaks.com als Ansprechpartner für Enthüllungen bevorzugt wird.

    PS: So eine Entziehungskur ist schmerzhaft, langwierig und der Erfolg nicht garantiert. Aber wenn es bei Junkies funktioniert, kann es bei der Presse auch klappen. Das schlimme ist nur: Meistens agieren die Menschen aus Leidensdruck. Und der ist bei der Presse – den Journalisten (und den Verlagen) – noch lange nicht groß genug. Denn in der Abhängigkeit gibt es: Anerkennung, Bauchpinselei, Eintragungen auf Gästelisten und viel andere Nettigkeiten. Von Folgeaufträgen ganz zu schweigen. Und wer will darauf schon verzichten?

  3. Der Artikel klingt ja vielversprechend. Nachdem dann aber schon im zweiten Absatz „sondern eine durch Spenden finanzierte Webseite, die überhaupt keinen Hehl daraus macht, dass zu ihren Unterstützern eine Reihe von Organisationen mit einer politischen Agenda gehören?“ steht, hat man gar keine Lust mehr weiterzulesen.

    Eine Erklaerung, wer diese „Reihe von Organisationen mit einer politischen Agenda“ sein sollen waere interessant.

    Wir duerfen gespannt sein, mir persoenlich waere da keine bekannt. Desinformation wo man hinschaut.

    daniel schmitt
    WikiLeaks
    Sunshine Press

  4. „Das Grundmisstrauen gegenüber Staaten und Politikern wird längst auf die Presse ausgedehnt.“

    Aber nicht grundlos, sondern in genau dem Maße wie die Presse das Misstrauen gegenüber Staaten und Politikern aufgegeben hat. Früher nannte man das Journalismus, der durfte gern seine Zeit brauchen und war ein Alleinstellungsmerkmal. Manchmal eines ganzen Mediums, meist einzelner Journalisten.
    So viele Themen haben in den letzten Jahren unsere Gesellschaft auf den Kopf gestellt. Kritische Meinungen gab es fast nie zu lesen, höchstens zu spät wie z.B. bei ELENA.

    Kommentare können in Qualität (Links zu weiteren Informationen) als auch Quantität (Meinungsbild) sicher mehr beitragen als E-Mails an Autoren (was ebenso möglich ist), die dann unbeantwortet versacken und den Schreiber frustrieren. Mir scheint es allerdings fraglich, ob dieses direkte Feedback gegen die professionellen und zahlungsfreudigen Agendasetter eine Wirkung zeigt. Langfristig macht es den Journalisten überflüssig, kurzfristig hat er allerdings Vorteile.

    Das hat bisher fast immer funktioniert…

  5. Noch ein Nachtrag im Sinne das ersten.
    Das Misstrauen der Bürger gegenüber dem Staat und seinen Institutionen definiert u.A. unser Demokratieverständnis. Der Journalismus hatte die Aufgabe dieses zu artikulieren.
    Dem ist er nicht nachgekommen und die entsprechende Funktion wird anderswo gesucht und wahrgenommen.

  6. @Daniel Schmitt: Soll das ein Witz sein? Auf der Startseite von Wikileaks steht schon das hier:

    WikiLeaks would like to thank the following 18 steadfast supporters (unordered):

    * Reporters Committee for the Freedom of the Press (RCFP)
    * The American Society of Newspaper Editors (ASNE)
    * The Associated Press – world wide news agency, based in New York
    * Citizen Media Law Project – Harvard university
    * The E.W Scripps Company – newspapers, TV, cable TV etc.
    * Gannett Co. Inc – the largest publisher of newspapers in the USA, including USA Today
    * The Hearst Corporation – media conglomerate which publishes the San Francisco Chronicle
    * The Los Angeles Times
    * National Newspaper Association (NNA)
    * Newspaper Association of America (NAA)
    * The Radio-Television News Directors Association (RTNDA)
    * The Society of Professional Journalists (SPJ)
    * Public Citizen – founded by Ralph Nader together with the California First Amendment Coalition (CFAC)
    * The Electronic Frontier Foundation (EFF)
    * The American Civil Liberties Union (ACLU)
    * The Project on Government Oversight (POGO)
    * Jordan McCorkle, the University of Texas

    Und darunter sind allein die vorletzten vier grob gesagt Bürgerrechtsorganisationen mit einer politischen Agenda. Ich glaube, Sie missverstehen da etwas: Nur weil sie die Ziele für richtig halten (ich übrgens auch), heißt es nicht, dass es keine politische Agenda ist. Greenpeace hat eine politische Agenda, Amnesty International und und natürlich auch die ACLU. Das heißt nicht, dass sie schlecht sind. Es heißt aber, dass ihre „Unternehmensziele“ nicht die einer klassischen Nachrichtenorganisation“ sind. Wenn sie aber trotzdem mehr Vertrauen erlangen, als es eine Nachrichtenorganisation bekommt, dann ist das bemerkenswert.

  7. Ist ja auch nicht so, als hätte Julian Assange nicht erst diese Woche im Colbert Report sehr klar gemacht, dass die geschnittene ‚Collateral Murder‘-Fassung des Videos mit ‚political agenda‘ gepostet wurde, dass er maximalen ‚political impact‘ wollte.

    Im gesamten Interview machte er den Eindruck, als sei Propaganda nichts weiter als polemische Berichterstattung. Dabei hätte es dessen in diesem Fall überhaupt nicht gebraucht.

  8. @mikis: Diese Organisationen, ausnahmslos, standen WikiLeaks mit Anwaelten zur Seite als es in einem Rechtsstreit mit der Bank Julius Baer ernst wurde.

    Eine weitere Beteiligung gibt es nicht. Weder finanziell, noch personell, noch ideologisch, noch irgendwie sonst.

    @Dierk: politischer Impact hat ueberhaupt nichts mit der von mir angesprochenen Tatsache zu tun. Politischer Impact ist die Pflicht eines jeden Journalisten, wenn nicht sogar die Existenzberechtigung.

  9. @Daniel Schmitt: War das als Argument gegen meins gedacht? Dann verstehe ich es nicht: Die Formulierung „steadfast supporters“ ist eindeutig, und was ich gerade an diesem Nebenkriegsschauplatz in den Kommentaren so witzig finde: Niemand hat einen Vorwurf daraus konstruiert. Wenn eine Organisation an die radikale Offenlegung von geheimen Dokumenten glaubt und dabei die Unterstützung von anderen Organisationen bekommt, ist das völlig legitim, wenn es, wie hier ja geschehen, offen passiert.
    Das hat niemand kritisiert, ich habe es nur festgestellt, und das ist – bitteschön – keine Desinformation. Es steht auf eurer Webseite, wenn es also nur eingeschränkt stimmt, dann ändert es doch bitte. Ich weiß allerdings nicht, was mit dieser Diskussion über diese Petitesse hier gewonnen werden soll.

  10. Mir ging es darum klarzustellen das WikiLeaks unabhaengig ist von der politischen Agenda der Supporter. Jeder Mensch der einen Euro gespendet hat ist vom Prinzip ein Supporter wie diese Organisationen, und unterstuetzt durch seinen Beitrag das Ueberleben von WikiLeaks — ob nun durch die Spende oder wie im Falle all dieser Organisationen durch das bereitstellen von Anwaelten.

    Es liest sich etwas missverstaendlich im Artikel oben, und sollte nur klargestellt sein.

  11. Ist der Daniel Schmitt da oben überhaupt echt? Denn ich weiß nicht, ob er wikileaks mit dieser öffentlich zur Schau getragenen leicht beleidigten Grundhaltung einen großen Gefallen tut. Als sei es schon eine Kränkung, den transparenzfördernden Aktivismus von wikileaks nicht etwa immer nur zu loben sondern auch mal zu analysieren.
    Und man könnte ja sogar noch weitergehen und wikileaks in diesem Fall sogar kritisieren, für die massiv PR-gesteuerte und inhaltlich kontrollierte Veröffentlichung. Denn da ist der ursprüngliche Weg, der des ehrlichen und unabhängigen Maklers von unterdrückten Informationen für alle (denen dann auch die Bewertung überlassen bleibt) doch viel sympathischer und glaubwürdiger.

  12. „Die Frage, die für Journalisten bleibt ist aber: Warum hatte nicht einer von uns dieses Video zuerst, irgendein Reporter einer angesehen Zeitung oder eines Fernsehsenders, ein Journalist, der für seine Enthüllungen berühmt ist – sondern eine durch Spenden finanzierte Webseite, die überhaupt keinen Hehl daraus macht, dass zu ihren Unterstützern eine Reihe von Organisationen mit einer politischen Agenda gehören? Ist das, wie manche Kommentatoren mutmaßen, ein Beweis dafür, dass Informanten ihre Enthüllungen nicht mehr “der Presse” anvertrauen wollen? Haben sie den Glauben an die Journalisten oder ihre Öffentlichkeitsmacht verloren?“
    Es steht heute in der SZ ein schöner Kommentar von Nikolaus Piper auf der Medien-Seite: Modell des Jahres: Pulitzer Preis für die Journalismus-Stiftung Pro Publica
    Warum gibt es immer mehr arrivierte Zeitungen wie die NY Times, die den investigativen Journalismus nicht mehr (finanziell) unterstützen? Warum spriessen denn überhaupt Websites wie wikileaks oder pro publica („steal our stories“, aber mit Quellenangabe) aus dem Orkus und finden Gehör, Beifall, Bestätigung?

    Fragen über Fragen.

  13. @Daniel Schmitt: Sorry, der letzte Kommentar ist im Spam-Filter hängen geblieben und deshalb erst jetzt online. Das heißt auch, jokahl konnte den Kommentar nicht lesen, bevor er seinen eigenen geschrieben hat. Tut mir leid, normalerweise funktioniert der Filter sehr gut (übrigens kann das mal gesagt werden: Danke an akismet!).

  14. @mikis+Daniel Schmitt: Danke, und in der Tat wäre die erste Hälfte meines Kommentars damit halbwegs erledigt gewesen.
    Aber um die zweite Hälfte nochmal zu präzisieren:
    Die Unterstützungswürdigkeit von wikileaks steht steht außer Frage – jeder, der gegen die Vermischung von Macht und Information sowie für Transparenz für allle ist, muss das gut finden. Die einleuchtendste Kritik GEGEN wikileaks ist noch, dass die sich selbst in Sachen Strukturen nicht in die Karten gucken lassen. Und das wäre immerhin ein schwerwiegendes Argument, wüsste nicht jeder ansatzweise informierte Mensch, dass sich die wikileaks-Arbeit aus rechtlichen Gründen gar nicht anders machen lässt (außer vielleicht eines Tages auf Island oder so). Das allerdings nimmt auch jeder Geheimdienst für sich in Anspruch, jeder Untergrundkämpfer, jeder Kriminelle usw.. Die einzige Möglichkeit für wikileaks, sich da moralisch prophylaktisch frei und unbelastet zu halten, sehe ich in der Neutralität: Wir, wikileaks, verifizieren und veröffentlichen – Ihr, Medien und User, bewertet. Und genau das ist jetzt halt nicht so gewesen.

  15. @Jokahl : Schöner letzter Satz! „Ihr, Medien und User, bewertet.“ Reihenfolge beachten. Denn Sie wissen nicht, was Sie tun…
    Gute Nacht Herr Jokahl!
    Marcus Berger

  16. @Wolfgang Michal: Er schlußfolgert eher – entweder haben sie das Video gehabt und nicht veröffentlicht oder es hat niemand mit ihnen Kontakt aufnehmen wollen. Beides, und nur diese beiden Möglichkeiten gibt es ja, wäre ein Armutszeugnis für die großen investigativen Medien. Und passt damit bestens zum Beitrag von Herrn Pantelouris.
    @Marcus Berger: Verstehe den Post nicht, ehrlich. Erklärung bitte?

  17. Was mich bei der Geschichte wundert: Die NY Times und verschiedene andere Internationale Zeitungen haben WikiLeaks bereits sehr lobend erwähnt oder gar zusammengearbeitet.
    Die deutsche Presse hat schon mehrfach von WikiLeaks Veröffentlichungen profitiert (man denke an z.B. TollCollect) aber jedes Mal muss man sich an hören wie unseriös WikiLeaks wäre.

    Was irgendwie witzig ist, da man die deutsche Journalie ja nur noch sehr bedingt als kontrollierende Gewalt im Staate bezeichnen kann. Zu sehr sind Redaktionen mit PR und Politik verbandelt bzwzu sehr zittern sie vor ihrem baldigen Ende.

    Kurz: WikiLeaks hat von mir schon Geld bekommen, über ein Zeitungsabo hab ich noch nie nachgedacht.

    @jokahl
    Ich dachte Reuters (war ja ein Reuters Reporter) hat ewig versucht die Videos frei zu klagen — ohne Erfolg.

  18. @Felix Nagel: Ja, das hat Reuters wohl gemacht – aber der Informant ist trotzdem nicht zu denen, zu dieser Riesen-Nachrichtenfirma, gerannt, sondern zu wikileaks.

  19. @jokahl: Danke, klingt alles sehr merkwürdig. Auf der anderen Seite: Ob die Paranoia begründet ist oder ein PR-Trick, sie führt zu Ergebnissen …

  20. @mikis/25: Ja, so sehe ich das auch. Bei der analysierenden wikileaks-Berichterstattung fehlt mir oft sowieso ein wenig der generelle Standpunkt – ob man diese ganzen Sachen nun ungefiltert veröffentlicht sehen will oder nicht. Es ist mir unverständlich, warum man die Kritik an wikileaks nicht trennen kann von der Aufgabe an sich. Dazu hat lustigerweise die Linke-Kampfblatt-Konkurrenz zu dem oben ein sehr lesenswertes Stück mit dem selbsterklärenden Titel „Geheimnisverrat ist Bürgerpflicht“. http://www.jungewelt.de/2010/04-24/013.php

  21. Die klassischen Journalisten hatten lange schon die Fakten berichtet – es gibt sogar ein Buch namens „The good soldiers“, in dem ein ganzes Kapitel dem Vorfall gewidmet ist. Das Video hatten sie nicht, die Fakten schon.

  22. Wikileaks ist eine neue Dimension und ein neues Werkzeug des investigativen Journalismus.

    Der Vorteil für Wikileaks liegt ganz einfach in der Garantie der Anonymität der Spender. Auch in Amerika würden viel mehr Geheimnisträger ihre Informationen den Journalisten bereitstellen, aber hier ist die Anonymität eben nicht so wasserfest wie in Schweden.

    Dass der klassische Journalismus an sich stirbt halte ich für nicht zutreffend. Seine Aufgabe ist das Verknüpfen und Einordnen der Dinge. Die erklärenden Kommentare in Wikileaks erklären das einzelne Geschehen, der Journalist ordnet es ein in einen größeren Kontext. Das ist nicht Aufgabe von Wikileaks, denn durch dieses Einordnen bekommt jeder Text eine politische Dimension.

    Wikileaks hat einfach den Vorteil, sich dieses Einordnen zu ersparen, dadurch hat es auch keine politische Dimension sondern fungiert als weitgehend neutraler Beobachter und ist damit auch nicht wirklich Journalismus sondern eine Informationsquelle.

  23. Das stimmt, meine ich, nicht ganz: Wikileaks hat ja zumindest im Fall „Collateral Murder“ – wenn ich Julian Assange richtig verstehe aber eigentlich regelmäßig – den Whistleblowern versprochen, das Material so einzusetzen, dass es größtmöglichen politischen Impact hat. Das ist meiner Meinung nach schon eine Einordnung, wie sie andere Medien eben auch treffen.

  24. Die Einschlagswirkung mag einberechnet worden sein, aber die Kommentierung aus der dann eine politische Aussage erfolgt, wurde von Wikileaks nicht vorgenommen.

    Dieses Video ist eine Quelle, die sehr wertvoll ist, aber auch nicht mehr. Es erklärt nicht, den Einfluss bspw. von möglichen humanitären Verbesserungen durch die Befreiung von dem Saddam Regime, aber es fordert auch nicht einen sofortigen Abzug, es ordnet das Ereignis nicht ein.

    Wikileaks sieht sich selbst ja auch nicht als Meinungsbildungsmedium, sondern ist v.A. den Geheimnisträgern verpflichtet. Eine klare politische Haltung nimmt Wikileaks, abgesehen von der Haltung bzgl. des Rechts auf Information, auch nicht ein. Ein Beispiel ist hier die Veröffentlichung des Mailkontakts der Klimaforscher, was sicher ohne Kommentierung und Einordnung v.A. konservativen Kreisen in die Hände spielt, wohingegen die Veröffentlichung des Videos aufgrund der Wucht und Brutalität dieser Bilder eher den Stimmen nach Abzug aus den Kriegsgebieten Gehalt verleiht.

    Fazit: Die Wucht der Information, der politische Impact, bezieht die Information über ihre Authentizität für die Wikileaks als „ehrlicher Makler“ der Information steht. Das ist nicht die Einordnung, die Wikileaks vornimmt, sondern eben der Status der Website als ein objektiver Beobachter und gewissenhafter Verifizierer. Von daher ist Wikileaks kein Journalismus sondern nur eine hoch valide Quelle.

  25. Da bin ich im Prinzip deiner Meinung. Aber „Collateral Murder“ als Bezeichnung bleibt eine Bewertung, oder?

  26. Klar, das ist eine Bewertung, aber eben keine Einordnung, bspw. in ein gesamtpolitisches Bild.

    Und genau das ist die Aufgabe von gutem Journalismus. In meinen Augen macht schlechter Journalismus („Bild“, leider auch viele Blogger) eine einzelne Nachricht zum Aufmacher und Aufreger, um ein möglichst großes Emotionspotential zu erreichen, dabei entsteht sehr schnell ein eindimensionales Bild.
    Guter Journalismus aber verknüpft, zeichnet ein Bild aus verschiedenen Perspektiven und braucht dabei, und deshalb habe ich auch für Wikileaks gespendet, viele vertrauenswürdige Quellen.

    Die Tatsache, dass es Wikileaks gibt, wird mich aber nicht dazu bringen, eine qualitativ hochwertige deutsche Wochenzeitschrift abzubestellen.

    Also: Bewertung ja, Journalismus nein. Okay?

  27. Ich würde gerne noch eine Frage stellen:

    Warum ist es gleich Propaganda, wenn die CIA PR-Tipps gibt. An der Authentizität der Daten (70% der Afghanen usw.) ist doch nichts auszusetzen.

  28. Da würde ich dich bitten, den Absatz noch einmal zu lesen:

    Und, um es gleich vorweg zu sagen: Das ist überhaupt kein Skandal. Im Gegenteil: Die CIA ist genau dafür da, die US-Regierung über die Lage, auch die Stimmungslage, in der Welt zu unterrichten, und die Schlüsse, die sie ziehen, sind einigermaßen vernünftig, wenn man denn PR für den Einsatz in Afghanistan machen will. Es kann auch durchaus sein, dass das Auswärtige Amt ohne jede Hilfe aus Langley oder Washington auf dieselben Argumente gekommen und der zeitliche Zusammenhang ein Zufall ist. Aber das Ergebnis bleibt: Die FAZ sieht bei einem oberflächlichen Blick für den Leser plötzlich aus wie eine Abwurfstelle für Regierungspropaganda. Und Wikileaks sieht aus wie eine Organisation, die solche Propaganda entlarvt.

  29. Es ist schon befremdlich ruhig geworden um Wikileaks und Julian Assange. Könnte natürlich auch sein, dass da im Hintergrund einge Deals abgelaufen sind. Bares, Straffreiheit bei der Vergewaltigungsgeschichte, einen gewissen Status, wie ihn nur Staaten verleihen können, wer weiss? Zumindest fällt auf, dass nach dem anfänglichen weltweiten Hype, der seinesgleichen suchte, inzwischen gegen Null tendiert. Grüße aus Berlin

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