Interessiert eigentlich jemanden, was in Griechenland wirklich passiert?

Ich bin seit einer Woche in Griechenland (ein Nebenprodukt der Reise liest man hier), und einer Sache war ich mir sicher: Die unterirdische Qualität der Berichterstattung in Deutschland über die Krise lag aus meiner Sicht auch daran, dass die deutsche Presse in der Post-Korrespondenten-Ära einfach zu wenig oder gar keine Leute im Land hat, zu wenig Experten, zu wenig Journalisten, die ihre Geschichten nicht einfach voneinander abschreiben. Denn es gibt in Deutschland nur eine handvoll Kollegen, die von diesem komplizierten Land eine Ahnung haben (aus dem Stand fallen mir ein: Gerd Höhler, Niels Kadritzke, Eberhard Rondholz, Michael Thumann und Christiane Schlötzer). Sie berichten deshalb kein bisschen weniger kritisch, aber auf der Grundlage von Tatsachen, nicht von den Thesen, die sich manche Redaktionen mit einem eher begrenzten Blick auf die Welt ausdenken.
Wenn Journalisten vor Ort sind und sich ein Bild von der Lage machen können, selbst mit Menschen sprechen und wirklich wissen wollen, was passiert, dann – das habe ich mir vorgestellt – ist die Griechenland-Krise immer noch eine Herausforderung, aber eine für einen Journalisten beherrschbare. Aber ich habe mich getäuscht.
Heute morgen lese ich auf Spiegel Online eine Geschichte mit der Überschrift „Sanierungspaket: Griechen verzweifeln an der Schuldenkrise“. Der Reporter berichtet aus Athen. Aus dem Fünf-Sterne-Hotel Grande Bretagne schräg gegenüber dem Parlament, um genau zu sein, und er hat tatsächlich mit einem Griechen gesprochen: Einem Kellner im Restaurant auf der Dachterrasse des Hotels. Sollte er das Gebäude je verlassen haben, dann findet sich dafür kein Hinweis in seinem Text.
Eine „beispiellose Serie von Protesten“ steht seiner Recherche nach bevor, und dafür gibt es zwei Indizien in seinem Text: Zum einen die Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Politei am 1. Mai, die natürlich auch die Bebilderung des Textes hergeben, und eine repräsentative Umfrage, nach der fast 86 Prozent der Griechen sich „unsicher fühlen“. Dass gleichzeitig je nach Umfrage zwischen 70 und 80 Prozent der Griechen das Sanierungspaket für alternativlos halten bleibt unerwähnt.
Ich hätte nicht einmal erwartet, dass sich der Reporter die Demostration mit eigenen Augen aus der Nähe ansieht. Ich kann verstehen, dass eine Horde aufgebrachter Männer, deren Sprache man nicht versteht, einen Reporter Abstand halten lassen. Aber vielleicht hätte ein Blick auf die roten Fahnen der Demonstranten genügt, um sich einen zweiten Gedanken darüber zu machen, wer da demonstriert. Einen Hinweis darauf gibt er selbst: „Raus, IWF“ sei „jetzt schon auf etlichen Plakaten in Athens Stadt zu lesen“. Die Gewerkschaften hätten für Mittwoch zu einem Streik aufgerufen.
Tatsächlich heißt das Bündnis, das zu diesen Streiks aufruft und die Demonstrationen organisiert PAME (es ist eine Abkürzung, das Wort bedeutet aber auf griechisch „gehen wir“, hier in etwa im Sinne von „auf geht’s“). Und PAME bezeichnet sich selbst als „Militante Arbeiterfront“ und als „Allianz der klassenbewussten Gewerkschaften in Griechenland“. Sie gehört zu stalinistischen kommunistischen Partei KKE, die jedes Programm jeder Regierung als Angriff des Kapitals auf das Proletariat begreift. Und, muss man es sagen, sie repräsentiert nicht die Mehrheit der Bevölkerung. Von ihnen auf den Seelenzustand „der Griechen“ zu schließen ist vergleichbar mit dem Versuch, aus den Mai-Krawallen in Berlin-Kreuzberg und im Hamburger Schanzenviertel Rückschlüsse auf die Meinung der deutschen Bevölkerung zu ziehen. Es ist falsch.
An der SpOn-Geschichte haben zwei Journalisten gearbeitet. Ich weiß nicht, ob einer von ihnen Griechisch spricht (der Name des zweiten, unter „Mitarbeit“ geführten Autoren ist an sich türkisch, aber es gibt sehr viele Griechen mit türkischen Namen. Lange Geschichte). Aber das wäre nicht einmal nötig gewesen: PAME veröffentlicht ihre Pressemitteiliungen regelmäßig später auch auf Deutsch. Man müsste es nur wissen wollen. Recherche auf der Dachterrasse eines Luxushotels reicht da nicht aus.

PS. Um noch ein Positiv-Beispiel zu geben (und tatsächlich ebenfalls auf SpOn): Hier beschreibt Gerd Höhler die Gründe der Krise sehr gut – und das vor anderthalb Jahren!

35 Antworten auf „Interessiert eigentlich jemanden, was in Griechenland wirklich passiert?“

  1. Ich glaube, die Sache mit der verdeckt mangelhaften Auslandsberichterstattung wird zunehmend zum generellen Problem, das sich am Griechenland-Beispiel lediglich aktuell und spektakulär illustrieren lässt. Verdeckt mangelhaft deshalb, weil die Großmedien es sich selbst und ihren Lesern gegenüber einfach nicht eingestehen wollen und können, dass sie aus Kostengründen schon lange nicht mehr die passenden Leute für Kompetenz im Ausland haben. Dabei gibt es zum Beispiel sicher etliche freie journalistische Griechenlandkenner, denen man Aufträge geben könnte. Die würden dann aber vielleicht etwas erzählen wollen, das die festangestellten Redakteure in Hamburg oder München, die Externe sowieso wahlweise für Loser oder unliebsame Konkurrenten halten, entweder nicht kapieren oder noch nie gehört haben. Und die wenigen verbliebenen Auslandskorrespondenten fürchten doch sowieso alle nur um ihre Jobs, die werden den Teufel tun, sich für ein anderes Weltbild mit der Heimat anzulegen. Gut ibeschrieben hat diesen Zustand auch Ulrich Tilgner, der ehemalige ZDF-Auslandsreporter, der damals deshalb gekündigt hat.

  2. Und in der Berichterstattung von SZ online über den vereitelten Bombenanschlag in New York steht:
    „Der Times Square liegt unweit des im September 2001 zerstörten World Trade Centers und gehört zu den beliebtesten Zielen von Touristen.“
    Schon richtig, von München-Steinhausen aus gesehen liegt in Manhattan natürlich alles unweit von Ground Zero. Dabei könnt man das doch noch sogar ganz ohne Korrespondent auf Mapquest nachsehen.
    Ich empfehle bei der Gelegenheit die Kollegen von weltreporter.net. mit denen ich seit Jahren arbeite. Beschäftigt sie!

  3. Mein Lieblingssatz auf sueddeutsche.de letzte Woche war, ganz unbescheiden, der hier: „Zumal der Quoten-Grieche Michalis Pantelouris gar kein Grieche ist, denn er ist 1974 in Deutschland geboren“. Ganz groß. Nach dieser Bewertung einer Melanie Ahlemeier, von der ich ansonsten leider noch nie gehört habe, wäre dann Ulrich Wickert auch kein Deutscher. Dafür aber Prinz Philip, der Mann der Queen, ein Grieche!
    Ich fürchte, sueddeutsche.de gehört eher zu den schwächeren der vielen mittelmäßigen Webangebote. Schade um die Marke.

  4. @mikis: Das gehört ja eigentlich nicht zum Thema, aber ehrlich gesagt, konnte ich Deine Teilnahme, die Anne wollte, auch nicht einordnen, nach sueddeutsche.de-Lektüre schon gar nicht. Was und warum, wenn Du dazu etwas sagen magst – ?
    @Frau Urbauer: Ihre Einschätzung der geografischen Ferndiagnose, der grundlegenden Kompetenz der sueddeutsche.de-Redaktion sowie ihre Werbung für Aufträge an verdiente Kollegen in Ehren, aber was genau hätten Sie denn nun an Stelle von sueddeutsche.de lieber oder besser an nachvollziehbaren Ortsbeschreibungen verlautbart?

  5. @jokahl: Sie haben mich gefragt, weil es offenbar niemanden sonst gibt, der sich in Griechenland auskennt und für Griechenland sprechen will. Das ist traurig genug. Und ich werde mich hüten, das abzulehnen …

  6. @mikis: Verzeihung, aber genau so haben die Dich angefragt? Dass Du hingegangen bist, ist ja völlig o.k., aber läuft Ersteres bei der ARD wirklich so?

  7. @jokahl: Die kurze Antwort ist die echte: dieser Blog. Ich glaube, sie haben mich tatsächlich über den Blog gefunden (haben das Thema allerdings auch sehr schnell aufgestellt. Freitag kam die erste Anfrage, Samstag stand es dann fest). Aber bei „Hart aber fair“ war dann der zauberhafte Herr Sarikakis aus der Lindenstraße, der ein super Typ ist, aber in so einer Runde einen schwierigen Stand hat.

  8. Das ist ja schlimm. Mir war nicht klar, dass es so schwer ist, Griechenlandkenner zu finden. Da wird noch eine Menge aufzuarbeiten und zu veröffentlichen sein. Was Dir hoffentlich akzeptable Aufträge bescheren wird (die Welt-Story fand ich klasse, auch wenn sie nach meinem Geschmack abbrach, als es – inhaltlich, nicht vom Aufbau her, der war o.k. – spannend wurde). Ansonsten hat Frau Urbauer vielleicht eine Idee, wer könnte.

  9. Und, falls du es empfangen kannst: Ich bin am Dienstag abend im hessischen Rundfunk (3. Programm) in einer Sendung zum Thema Griechenland. Ich glaube, sie heißt „Stadtgespräch“.

  10. SPON ist schon seit Monaten von meiner Lesezeichenleiste verschwunden. Der Totholzspiegel wird nicht einmal mehr bei Friseur gelesen. Es ist vorbei. Aus dem „Sturmgeschütz der Demokratie“ ist eine schlappe Zwille etablierter Interessensgruppen geworden. SZ ist auf dem besten Wege. Die einzigen, die sich noch Zeit nehmen ist – naja, eben die „Zeit“… Aber nicht jeder verträgt den betulichen Ton. Fazit: Blogs. Viele Blogs. Viele, viele Blogs. Dann fühlt man sich ein wenig weniger angedeppt.

  11. Journalismus funktioniert schon lange nicht mehr so, daß man rausgeht und dann die Realität berichtet die man vorfindet. Der Journalist von heute macht sich seine Realität selbst.

  12. @mucki: Ich fürchte, das passiert sehr oft. Aber nicht, weil Journalisten das wollen, sondern weil die Bedingungen in vielen Fällen für alles andere zu schlecht sind. Allerdings: Wenn man schon in Athen ist …

  13. Zu der Überschrift: Muß es wirklich jemanden ganz genau interessieren, was in Griechenland passiert, so lange es augenscheinlich auch den Griechen völlig egal ist ?
    Immerhin scheint ein nicht ganz kleiner Teil lieber um seine Pfründe kämpfen (bzw. teilweise gewalttätig demonstrieren) zu wollen, als der bitteren Realität ins Auge schauen zu wollen: Der Staatsbankrott steht bevor, nein, erklopft sogar schon an die Tür, wenn der Rest der EU nicht rechtzeitig handelt !
    Genau das hat die griechische Regierung erst letzte Woche wieder deutlich gemacht, bei den Griechen selbst scheint es aber noch nicht richtig angekommen zu sein. Leider zahlen wir die Rechnung, und ob wir unser Geld zurückbekommen, steht in den Sternen. Ich glaub’s ja nicht und muß befürchten, daß wir, also Deutschland, wieder am meisten dafür werden blechen müssen. Als ob wir nicht selbst genug Schulden hätten !

  14. @Taraa: Ich glaube, ich habe nicht angedeutet, dass es Sie interessieren muss. Aber einen Journalisten mit dem Auftrag, über Griechenland zu berichten, müsste es. Und Ihre Einwürfe zeugen davon, wie unsagbar schlecht die deutsche Öffentlichkeit informiert ist. Abgesehen von den Demonstrationen, die Sie gerade wieder genau so falsch verallgemeinern, wie ich es in dem Text beschreibe: Glauben Sie wirklich, dass es den Griechen egal ist? Woher nehmen Sie denn das, bitte? Ich bin gerade in Griechenland und habe einen völlig anderen Eindruck, was kein Wunder ist, wenn gerade die Mehrwertsteuer zum zweiten Mal in diesem Jahr erhöht ist, die Mineralölsteuer auch (ein Liter Benzin kostet hier inzwischen gern mal 1,70 Euro), die Löhne und Renten sinken usw. Nur für Sie zum Vergleich: Der Konsolidierungsaufwand, der betrieben wird, ist im Verhältnis zum BIP etwa viermal so hoch wie der, den Deutschland nach dem Krieg treiben musste, um Reparationen zu zahlen. Damals hat die Bevölkerung zurecht geächzt unter der schweren Last. Und das tun die Griechen heute. Glauben Sie mir: Das kommt durchaus an. Nur nicht bei den deutschen Lesern, weil die deutschen Medien in diesem Zusammenhang versagen. Das war mein Punkt, und ich bin fast dankbar, dass Sie ihn belegt haben.

  15. Ich lese mit einiger Sorge die vorlaufenden Kommentare. „Heute“ und „Tagesschau“ wird
    von Reuters bezogen. Also warum soll die ganze
    Griechenland Saga nicht auch von Reuters kommen? Viele Leute wissen um die Renten in
    den suedeuropaeischen Laendern. Ich wuerde
    vielen Arbeitern in diesen Laendern eine fruehere Rente goennen. Arbeitet mal bei 40GC
    im Sommer. Warum uebersetzt ihr keine grie-
    chische Tageszeitung? Uebrigens, welche US-
    Bank beriet die Griech.-Regierung ? Dieses hier
    schreibt kein „Kommunist“ ! Aber der griechi-
    sche Markt war dem EU-Kapitalismus vieles
    Wert. Fuer mich ist es uebrigens ein Wunder,
    dass wir den € noch haben !

  16. Das Wort angedeppt passt wirklich auf die Gefühlslage beim lesen von 99% der in Deutschland veröffentlichten Artikel zum Thema Griechenland.

    Die Bild-Schlagzeile mit Herrn Latsis ist aber eben auch einfach schwer zu kontern.

  17. Ach, und das mit der lausigen Auslandsberichterstattung ist eine neue Erkenntnis? Wer lange im Ausland gelebt und dort gearbeitet hat, der kriegt sehr schnell ein Gesprür dafür, wie deutsche Jorunalisten im Ausland arbeiten (von wenigen Ausnahmen abgesehen). Aus den dortigen Medien abschreiben was das Zeug hält. Ausserdem: Warum sind fast alle Afrika Korrespondenten in Johannesburg oder Nairobi und berichten von dort, aus ihren bequemen Wohnungen/Büros heraus, wie es im Kongo oder im Sudan abläuft. Warum sitzen die Meisten Korrespondenten in Südamerika in Rio oder Buenos Aires oder Miami? Weil es netter und bequemer ist und nicht weil es vielleicht besser wäre, sich in Bogota oder Lima niederzulassen. Das ist seit vielen Jahren so und jetzt wundert sich hier jemand, dass deutsche Klugschwätzer- und Belehrerjournalisten (vor allem TV) Griechenland ion eine jorunalistischen Müllhalde verwandeln? Das, mein lieber Herr Pantelouris ist nun wirklich nicht neu. Da passiert es nun mal, wie es Anne Urbau geschrieben hat: Der Times Square ist in der Nähe von Ground Zero. Klingt auch schicker so.

  18. Ich staune und staune und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus in den vergangenen Wochen: Wie ungeniert da die Boulevard- aber auch viele seriöse Medien Ressentiments bedienen und „uns Deutsche“ gegen „die Griechen“ in Stellung bringen, das ist schon gruselig. Manchmal denke ich mir: Was, wenn es hier wirklich mal vielen Leuten spürbar schlechter ginge? Ich will es gar nicht wissen…

  19. Wenn eine Geschichte inhaltlich abbricht, wo sie spannend zu werden scheint, ist sie im besten Fall nicht zu Ende recherchiert, aber meinst so banal, das man sie eigentlich nicht mehr veröffentlichen brauchte. Man lässt dann lieber das wohlbekannte Ende weg, dafür schön Raum für Vermutungen, damit man die Kosten nicht umsonst hatte.
    Wenn ein Journalist konkrete Angaben selbst dann vermeidet, wenn er sie einfach beschaffen könnte, ist der ganze Text heruntergerotzt, man kann mit dem Lesen aufhören, gleich.
    Galt schon vor dem Internet. Gilt auch für große Namen. Gilt auch heute. Gilt auch für Blogs.

  20. @Peter: Vielen Dank für den Kommentar. Ich gebe dir im Prinzip recht. Aber: Meinst du mich? Was fehlt dir? Obwohl: großer Name meint SpOn, oder? Ich bin verwirrt.

  21. Hallo,

    @mikis: Klasse Blog, aufschlussreiche Hintergründe

    — angeregt mitgelesen, und nun stelle ich mich der angenehm erhellten Runde mal kurz für die ein oder andere Diskussionsbeteiligung vor, mit wohltuend intelligenten Beiträgen – mein Applaus gilt nicht nur dem Betreiber der Seiten und Initiator …

    Zitat jokahl: „…halte Deine Einlassungen ja für interessant und schlau. Aber wo ist denn nun für Dich der mediale Markt, der mit (von) einem Verständnisrahmen handelt, der Dich offenbar interessiert, z.B. bei der spätrömischen Dekadenz? Wenn so etwas keine Sau interessiert, einen freien und transparenten Markt vorausgesetzt, warum sich dann darum kümmern? Abgesehen davon, dass Du das ja machen könntest (außerhalb dieses Blogs), wenn dich einer dafür bezahlt.“

    Der Schlüssel liegt in der Verteilung des Kapitals und seiner Möglichkeiten, ohne jetzt hier all zu marxistische Weisheiten loszuschlagen. Es haben eben inzwischen (und der Prozess beschleunigt sich gerade in diesem Moment rasant) nur noch sehr Wenige Zugriff auf genug „Kapital“ für entsprechend publikumswirksame Verständnisrahmen – eine Art Gleichschaltung der Medien (natürlich nicht nur der 😉 hat schon lange stattgefunden, und es werden immer mehr einzelne (Journalisten, Hofnarren, Statthalter, Politiker als Funktionseliten usw.) aus purem Selbsterhaltungstrieb einem machtvollen Fluch unterworfen — der Abhängigkeit vom Geld, besser den Krediten und Zinsen einer nur noch verschwindend geringen Zahl deutlich selektiver „Spender“. Die Chance ist also gering, den Verständnisrahmen für Aufklärung und Wahrheiten zu ändern, zumal Homo Sapiens eine gewisse kognitive Trägheit nachgesagt wird — so lange er sich noch in einem relativ gesättigten Stadium fühlt. So lange WILL er gar nicht aus diesem Zustand weichen. Glücklicherweise ist nicht zu leugnen, dass die Unzufriedenheit in der Breite unterschwellig wächst, was die Empfänglichkeit für andere Verständnisrahmen erhöhen wird. Zum Beispiel für attac´s Parole „Eine andere Welt ist möglich“ oder auch einfach nur für Bürgerengagement in der persönlichen Umgebung, wo bekanntlich alle Veränderung beginnen muss…

    Zitat Chris (oder V. Pisker, Dank für den Querverweis, mutig, der Mann): „Menschen die viel leisten für unsere Gesellschaft? Das wären für mich Lehrer, Krankenschwestern, Altenpfleger, Sozialpädagogen.“

    Ich persönlich habe sehr viel Respekt vor genau den genannten Berufsgruppen und würde ihnen wünschen, dass sie eine adäquate Gegenleistung für ihr menschlich-soziales Engagement erhielten. Aber kann man das unter den gegebenen Umständen (ethisch moralischen Sichtweisen/Denk- und Handlungsmustern, alias „Verständnisrahmen“) in näherer Zukunft auch nur ansatzweise für möglich halten? Lange werden die vorgenannten globalen Machteliten (der Banken) ihre Funktionseliten (Schäuble & Co. mit einem immer perfider funktionierenderen Überwachungsstaat, s. RFID, ELENA, Maut, GPS, NWO) einzusetzen wissen, um das zu verhindern. Aber, um zum Thema zurückzukommen, Griechenland wird ein Stück auf dem Weg zu mehr und genau DEM Widerstand sein, von dem mir neulich schon ein 10-jähriger! sagte: Er hielte es für „wahrscheinlich, dass es so etwas wie eine neue RAF geben wird…“ Whow, seitdem hege ich konfliktsoziologische Hoffnungen auf zumindest etwas mehr Verteilung von oben nach unten – kindisch, ich weiß… 😉

  22. Ich sitze in Nordwestgriechenland in einem Dorf, in dem jetzt noch keine Touristen sind. In Gesprächen mit Einwohnern – mein Griechisch reicht dafür – höre ich durchweg, dass Merkel eine Hassfigur ist, weil sie die Finanzhilfen verzögert habe, und dass sie sehr gut Bescheid wissen über die Hetze der Bildzeitung und dass es keinerlei Verständnis für die laufenden Streiks gibt, von denen hier natürlich nichts zu bemerken ist. Einer sagte: die streiken doch gegen sich selbst. Wenige hier im Dorf wünschen sich die Drachme zurück. die meisten wissen: harte Einschnitte ins Leben sind unvermeidlich und müssen hingenommen werden. Einer sagte: Wir haben die Türken ertragen und die Deutschen und die Militärjunta, da werden wir auch Brüssel überleben! Ein anderer meinte: Ich bin froh, dass es jetzt so kommt, dann wachen die endlich auf in Athen. Wie Papandreou die Krise managt, wird hier überwiegend gut beurteilt, nicht nur von PASOK-Anhängern.

  23. „Und, muss man es sagen, sie repräsentiert nicht die Mehrheit der Bevölkerung.“

    und doch gelingt es ihnen offenbar so weitreichende streiks durchzusetzen?

  24. Das tun sie tatsächlich manchmal (am letzten „general“-streik waren 20.000 Leute beteiligt), aber heute demonstriert tatsächlich ein viel breiteres Bündnis, ja unter anderem auch Lehrer usw. Dafür gilt das, was oben steht, nicht. 100.000 oder noch mehr Leute kriegen die allein auch wahrscheinlich nicht zusammen.

  25. Die Leipziger „Montagsdemonstranten“ fanden anfangs auch eher wenig Unterstützung und kämpften quasi gegen Windmühlen …

  26. Nun, wer im medienbereich noch was werden will, muss politisch korrekt sein, das aber im möglichst abgeklärten, flapsigen Ton. Die Wahrheit oder die gewissenhafte Recherche sind Begriffe für Loser.

    Das gilt nicht nur für das politisch korrekte Blättchen „DER SPIEGEL“ sondern für alle Presseerzeugnisse. Dafür Geld ausgeben? Wohl kaum. Gut, dass es zum Ärger der etablierten Politiker das INTERNET gibt, wenn auch bereits vielen Zensurangriffen ausgesetzt.

  27. @Bernd: Danke! Ich bin ziemlich beeindruckt, dass ein ehemaliger BamS-Chefredakteur die Berichterstattung der Bild in so deutlichen Worten benennt. Das ist tatsächlich Klartext.

  28. yup, gefällt mir bzw triffts auf den Punkt, siehe div. Berichte u.a. über den Kauf der Süddeutschen durch die schwäbische Presseholding mit anschließender exmatrikulation der Edelfedern…
    Ehrlich wäre es, wenn man für weite Teile der Journalistenzunft die Berufsbezeichnung den Tatsachen anpassen würde:
    ersetze Journalist durch Sachbearbeiter für PR-Texte

  29. In diesen Tagen fällt mir immer wieder die Diskussion zu dem Thema ein, dass das Internet (weil kostenlos) ja eine Bedrohung für den seriösen Journalismus (weil kostenpflichtig) sein soll. Zitat Mathias Döpfner (HH Abendblatt):

    „Der Geiz des Lesers bedrohe den Journalismus.“

    und

    Es könne „nicht sein, dass die dummen Old-Economy-Guys für viel Geld wertvolle Inhalte erstellen und die smarten New-Technology-Guys sie einfach stehlen und bei ihren Werbekunden vermarkten“

    Wenn ich mir die letzten Wochen in Print ansehe (und da zähle ich auch ein paar seriösere Blätter wie den Stern dazu), dann würde ich Herrn Döpfner doch nochmal um eine Definition des Begriffs „wertvolle Inhalte“ bitten

  30. Das Problem :

    Leute in der griechischen Regierung -und nicht nur! –
    die Werte wie : Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit
    im Namen des Geldes vergewaltigen !

    Die Lösung :

    Diejenigen sollten – endlich – gestellt werden !

    Werte wie Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit,
    sollen der Grundoden für ein „neues“
    Griechenland werden !

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