„Warum machen Sie Propaganda, Herr Diekmann?“

Eine ganze Zeit lang bin ich davon ausgegangen, dass die Hetzkampagne gegen Griechenland aus einer Mischung aus Vereinfachung, Faulheit und mangelndem Wissen in vielen Redaktionen entstanden ist. Aber das erklärt nicht mehr, was alles geschrieben wird. Es muss noch andere Gründe geben.
Die Bild-Zeitung druckt heute auf der Seite 2 ein Interview mit Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Stefan Mappus. Darin geht es um die Euro-Krise, und die drei Autoren von Bild fragen unter anderem:

Was kostet uns die Euro-Rettung?

Mappus erklärt, warum er hofft, dass die Euro-Rettung den deutschen Steuerzahler gar nichts kostet. Dann fragt die Bild-Runde:

Müssen wir jetzt sparen, weil die Griechen über ihre Verhältnisse gelebt haben?

Und Mappus antwortet:

Wir müssen Griechenland helfen und den Euro retten, um letztlich auch das Vermögen der kleinen Leute in Deutschland zu schützen. Sparen müssen wir, weil auch unsere eigenen Schulden zu hoch sind.

Als Überschrift für das Interview wählt Bild dann eine Frage, die gar nicht gestellt worden ist: „Warum müssen wir für die Griechen sparen, Herr Mappus?“

Das ist schlicht und einfach eine perfide Lüge, versteckt in einer Frage. Denn diese Headline impliziert natürlich schon die Tatsache, Deutschland müsste für „die Griechen“ sparen, was Stefan Mappus eindeutig gerade nicht sagt, und was nicht einmal die Bild-Runde in ihren Fragen zu behaupten gewagt hat – wahrscheinlich deshalb, weil sie wussten, dass es nicht stimmt. Aber spätestens nach dem Interview, beim Texten der Headline, wussten sie es natürlich. Ich kann nicht glauben, dass es ein zufälliger Fehler ist, wenn sie es trotzdem so darstellen.

Aber was ist der Grund, dass diese Kampagne selbst auf so abseitigen Wegen weitergeführt wird, jetzt, wo langsam jedem klar geworden ist, dass die Gefahr für die europäische Währung nicht von griechischen Rentnern ausgeht?

Die einzige Antwort, die mir einfällt, ist die, die ich lange nicht wahrhaben wollte: Griechenland soll und wird in den nächsten Wochen dafür verantwortlich gemacht werden, dass die Steuern steigen werden anstatt zu sinken, wie es vor allem die FDP versprochen hat. Griechenland soll verantwortlich gemacht werden für den anstehenden Sparkurs, der lange vor der Wahl absehbar war. Wir werden den Namen Griechenland in Zukunft wohl im Zusammenhang mit jeder unpopulären Entscheidung hören, die die Bundesregierung zu treffen hat.

Die Kampagne der Bild, die selbst in den Augen des ehemaligen Bild am Sonntag-Chefredakteurs Michael Spreng an Volksverhetzung grenzte, funktioniert jedenfalls perfekt als flankierende Maßnahme zu dem Kurswechsel der schwarzgelben Regierung, die ihre Wahlversprechen – von denen sie wusste, dass sie sie nicht einhalten kann – nun eins nach dem anderen kippen wird. Und ich kann mir nicht helfen: Ich glaube angesichts der Rücksichtslosigkeit und des Nachdrucks, mit dem die Kampagne betrieben wurde, nicht mehr an Zufälle.

8 Antworten auf „„Warum machen Sie Propaganda, Herr Diekmann?““

  1. Interessante These! Ich bin gespannt wie es in den nächsten Wochen weitergeht. Aber ich gebe Dir auf jeden Fall Recht, dass wieder einmal ein „Sündenbock“ gefunden wurde, der für alles verantwortlich gemacht wird: Griechenland. Das traurige daran, leider wird es nur zu selten hinterfragt – wie in Deinem Fall.

  2. Ich glaube, Du schießt mittlerweile ein wenig über das Ziel hinaus mit Deiner Argumentation. Ja, Bild schreibt mal wieder Mist. Das tun die aber oft. Sowie kurze, polemische Zeilen drucken. Sowohl wenn sie gegen Griechenland hetzen als auch wenn sie jemand anderen fertig machen wollen. Insgesamt ist es doch eher so, dass sich der öffentliche Fokus (auch der von Bild) langsam weg von Griechenland und hin zur Krise der Eurozone insgesamt verschiebt, oder?

  3. @jokahl: genau das dachte ich auch. Und genau deshalb wundert es mich, warum diese Themen so plump verquickt werden. Wie gesagt: zu viele Zufälle.

  4. @jokahl

    Man soll ja seiner Paranoia nicht immer freien Auslauf geben, aber in diesem Falle würde ich mikis und M. Spreng vollkommen zustimmen. Insbesondere die Springer-Presse und ihre Derivate zeigt ein so unterirdisches Niveau. Ein absoluter Tiefpunkt im politischen Journalismus, der versucht einfachen Menschen ein einfaches Feindbild zu geben.

    Freitag titelte z.B. hier in Berlin die BZ mit „Trotz Pleite- Griechen geben 7,94 Mrd. € für Waffen aus“. Kein Wort davon, wer ihnen diese Waffen verkauft und wer insbesondere hier Kürzungen unterbunden hat (nämlich Deutschland und Frankreich). Ein älterer regte sich dann auch entsprechend in der S-Bahn auf, auf meinen Hinweis woher die Waffen kommen und wessen Arbeitsplätze sie dadurch erhalten wurde er sehr nachdenklich.

    Also- Griechenland ist der aktuelle Sündenbock, genauso wie vor nicht allzulanger Zeit Hartz-IV-Empfänger zum Sündenbock werden sollten.

    Und ja, ich glaube, hier wird eine Kampagne vorbereitet, die Schwarz-Gelb einen Ausweg aus dem Steuer-Abseits ermöglichen soll…

    Schöne Pfingsten trotz allem

  5. Warum er Propaganda macht? Wurde schon in „hart aber fair“ erklärt. Dort war nämlich auch der zuständige Bild Wirtschaftsredakteur. Er sagte: Es sei eine Kampagne – zugegeben plakativ – mit dem Ziel, Griechenland aus der Eurozone rauszuwerfen.

    Dorthin wird man GR auch treiben. Man wird so lange piesacken und manipulieren, bis es „freiwillig“ aus der Eurozone austritt und den Bankrott einleitet. An diesem Mechanismus – Staaten auch bankrott gehen zu lassen (Merkel) – wird schon gearbeitet.

    Was das für Deutschland bedeutet? Nun, eine billige Shopping Tour durch Griechenland, (im Moment geht ein Hotel nach dem anderen pleite -siehe Spiegel online heute), sehr billige und gut ausgebildete Arbeiter und die Oberhand im Balkan.

    Griechenland hatte sich ja zu einem kleinen Player in der Region gemausert. Siehe Dir mal den letzten IWF Bericht an!!!

    Das ist einigen Leuten ein Dorn im Auge.
    Die Griechen sollen sich gefälligst unterordnen und in der gleiche Liga wie Bulgarien und Albanien mitspielen.

    Wach auf, Miki!

    Mittlerweile sehr wütende Grüße

    Lina

    P.S.
    Hör genau hin. Economic hitmen gibt es nicht nur in den USA. Denk mal an Siemens, Deutsche Bank, Telekom, TUI, Hochtief, Aldi, Metro, etc. nach. Und recherchier auch einmal über das vermutete Öl in der Ägäis…

    http://www.youtube.com/watch?v=R6WstddMJZQ

    (alle Teile angucken)

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