Dr.–ctrl–c Guttenberg

Es muss nicht jeder was zu Axolotl-Guttenberg sagen, aber es kann. Und ich habe mir schon die Lierhaus verkniffen, also darf ich bitte, obwohl fast alles gesagt ist. Aber eben nur fast und auch noch nicht von mir.

Ich bin erklärterweise kein Fan des Verteidigungsministers Guttenberg, insofern habe ich tatsächlich den Anfang dieser Affäre mit einiger Belustigung verfolgt, das muss ich zugeben. Inzwischen finde ich es eher schade, dass die projizierte Lichtgestalt über charakterliche Fehler stürzt, anstatt über politische, von denen KTG ja einige gemacht hat – nur eben unerkannt, weil er gleichzeitig mit seinem Leuchten die meisten Blenden konnte. Aber natürlich sehe ich ein, dass man nicht darüber hinwegsehen kann, wenn der Oberbefehlshaber unserer Armee sich als windiger Charakter mit einem taktischen Verhältnis zur Wahrheit herausstellt, insofern muss ich damit leben, dass er weg ist, bevor ich jedem einzelnen seiner Fans erklären konnte, warum er einfach kein guter Verteidigungsminister ist. Ich werde das verkraften. Aber während ich darüber hinwegkomme, möchte ich doch noch einmal darauf hinweisen, was für eine bemerkenswerte Erklärung er heute Mittag abgegeben hat. Sie gehört aus meiner Sicht zu den frechsten PR-Stunts, die jemals jemand versucht hat. Und das bewundere ich dann doch ziemlich.

Gehen wir das Statement mal durch:

Für diese Stellungnahme bedurfte es keiner Aufforderung und sie gab es auch nicht.

Das ist schon der erste Hammer. Seit zwei Tagen diskutiert Deutschland in seiner Abwesenheit über seine Dissertation, es sind zu diesem Zeitpunkt etwa 80 zumindest extrem fragwürdige Stellen identifiziert (nicht zuletzt in der Einleitung seiner Arbeit), und er wird am späten Abend des Vortages zur Kanzlerin zitiert, was eher ungewöhnlich ist. Aber er hat das Gefühl, es gab keine Aufforderung, und er tut uns genau genommen einen Gefallen, weil er überhaupt etwas sagt? Das ist nicht mehr nur dickhodig, das ist glatte Realitätsverleugnung. Also ein guter Anfang.

Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat, und den Vorwurf weise ich mit allem Nachdruck von mir.

Das ist ein genialer Satz. Es hat nämlich überhaupt nie jemand behauptet, dass die Arbeit als solche ein Plagiat sei, sondern dass es innerhalb dieser Arbeit eine ganze Reihe von Plagiaten gibt. Den Vorwurf erwähnt er aber gar nicht.

Sie ist über etwa sieben Jahre neben meiner Berufs- und Abgeordnetentätigkeit als junger Familienvater in mühevoller Kleinstarbeit entstanden und sie enthält fraglos Fehler. Und über jeden einzelnen dieser Fehler bin ich selbst am unglücklichsten.

Zum Heulen schön. Wir reden gar nicht über Fehler in der Arbeit, sondern über vorsätzlich abgekupferte Textstellen, also über Fehler im Charakter von KTG. Dazu sagt er aber auch nichts.

Es wurde allerdings zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht oder bewusst die Urheberschaft nicht kenntlich gemacht.

Das ist der Schlüsselsatz. Er erscheint inzwischen völlig unglaubwürdig, aber KTG versteckt das zumindest für den Moment hinter dem „es wurde“ anstelle eines „ich habe“. Zu nahe an ein Barschel-mäßiges Ehrenwort wollte er sich nicht begeben. Er entfernt sich so weit es geht persönlich von dem, was da getan wurde. Obwohl niemand als er es getan hat. Gute Technik.

Sollte sich jemand hierdurch oder durch inkorrektes Setzen und Zitieren oder versäumtes Setzen von Fußnoten bei insgesamt 1300 Fußnoten und 475 Seiten verletzt fühlen, so tut mir das aufrichtig leid.

Das soll natürlich diejenigen verkleinern, die überhaupt Vorwürfe erheben. Die Frage lautet ja eigentlich: Sollte sich jemand verletzt fühlen, weil der Oberbefehlshaber der Armee sich als ganz durchschnittlicher Lügenbold entpuppt? Verletzt vielleicht nicht, aber durchaus ein bisschen beleidigt.

Die eingehende Prüfung und Gewichtung dieser Fehler obliegt jetzt der Universität Bayreuth.

Erstklassige Umschreibung von: Haltet alle die Fresse, Ihr habt eh nix zu sagen.

Ich werde selbstverständlich aktiv mithelfen festzustellen, inwiefern darin ein wissenschaftliches, ich betone ein wissenschaftliches Fehlverhalten liegen könnte.

Noch einmal, zum mit- oder abschreiben: Wir könnten damit leben, wenn unser Verteidigungsminister ein schlechter Wissenschaftler wäre (was allerdings ein schlechtes Licht auf die Summa-cum-laude-Uni Bayreuth werfen würde, aber egal). Der Verteidigungsminister sagt hier aber betont offen, dass er nicht dabei mithelfen wird, festzustellen, inwiefern da ein menschliches Fehlverhalten vorliegen könnte. Er wird weiterhin versuchen, das zu verschleiern. Wenn unser Verteidigungsminister aber ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit hätte, dann könnten wir nicht damit leben. Unsere Soldaten werden am anderen Ende der Welt erschossen, und wir wüssten sie gerne in guten Händen.

Und ich werde gerne bis zum Ergebnis dieser Prüfung vorübergehend, ich betone vorübergehend, auf das Führen des Titels verzichten, allerdings nur bis dahin, anschließend würde ich ihn wieder führen.

Lustiger Zug. So etwas wie einen ruhenden Doktortitel gibt es nicht, aber ich nehme an, KTG kriegt auch dann einen ordentlichen Tisch im Restaurant, wenn er den Titel verschweigt. Worauf genau er also verzichtet ist unklar. Aber so ist immerhin das neue Briefpapier schon gedruckt, das ohne „Dr.“ (übrigens, liebes Internet, es gibt gar keinen „Dr.-ctrl-c“. Ich habe das gecheckt).

Ich werde mir keine anderen Maßstäbe anlegen, als ich bei anderen angesetzt hätte. Jede weitere Kommunikation über das Thema werde ich von nun an ausschließlich mit der Universität Bayreuth führen.

Noch schönere Umschreibung von: Fresse halten, ich kann das eh besser beurteilen als Ihr!

Die Menschen in diesem Land erwarten, dass ich mich um das fordernde Amt des Verteidigungsministers mit voller Kraft kümmere und das kann ich auch.

Die Menschen in diesem Land erwarten, dass ihre Vertreter ehrlich zu ihnen sind, Herr Doktor Minister Baron! Zu behaupten, man hätte vor lauter vom Souverän erwarteter Arbeit einfach keine Zeit, sich dem Souverän zu erklären, gehört zu den dreistesten Konstruktionen zur Vermeidung von unangenehmen Fragen aller Zeiten.

Wir stehen vor einer historischen Bundeswehrreform. Und ich trage die Verantwortung für die Soldaten im Einsatz, wie ein Ereignis an dem heutigen Tag einmal mehr auf bittere Weise zeigt.

Und zuletzt benutzt er den tödlichen Anschlag vom Morgen als Erklärung dafür, warum er sich nicht den Fragen der Bundespressekonferenz gestellt hat und auch nicht mehr stellen wird. Das ist nichts als schäbige, perfide kaschierte Feigheit. Allein für diesen Satz möchte ich, dass er nicht mehr in Verantwortung für die Soldaten steht, die ihr Leben in Afghanistan riskieren.

Aber das Schlimmste ist: Trotzdem halte ich das Statement für recht gut konstruiert. Wenn er mit seiner Nummer durchkommt, dann so. Er hat gar nichts zugegeben, Rückfragen ausgeschlossen und das mit seiner wichtigen, dringenderen Aufgabe begründet. Sehr schlau. Aber eben auch sehr eklig.

Und nicht genug: Selbst seine besten Freunde in den Medien haben Probleme, in dieser Situation noch positiv über ihn zu schreiben – oder sie drehen einfach mal richtig durch.

Das wird alles nicht reichen. Die Uni Bayreuth wird heftig ringen müssen zwischen ihrer wissenschaftlichen Reputation und Unabhängigkeit und der Tatsache, dass die vielleicht vielversprechendste Polit-Karriere der letzten zehn Jahre von ihrem Urteil abhängt, und ich bin mir nicht sicher, ob unter diesen Bedingungen wirklich mit einem echten Urteil zu rechnen ist, aber Dr.–ctrl–c Guttenberg hat möglicherweise mit seinem wirklich frechen Stunt, eine Erklärung jenseits der kritischen Öffentlichkeit abzugeben und sich ansonsten jede Behelligung mit dem Thema zu verbitten den aus meiner Sicht tatsächlich bestmöglichen Schuss abgegeben. Aber er wird nicht treffen. Jetzt muss man sagen: Je schneller es nun vorbei ist, umso besser.

PS. Okay, ich habe die Fan-BoysFanbois unterschätzt: BILD schafft es trotzdem noch, begeistert über KTG zu schreiben.

13 Antworten auf „Dr.–ctrl–c Guttenberg“

  1. Zu behaupten, man hätte vor lauter vom Souverän erwarteter Arbeit einfach keine Zeit, sich dem Souverän zu erklären, gehört zu den dreistesten Konstruktionen zur Vermeidung von unangenehmen Fragen aller Zeiten.

    An dieser Stelle ist mir auch der Kragen geplatzt. Es hätte nur noch gefehlt, mit den Worten „Lassen Sie mich durch, ich bin Doktor!“ das Heer der ausgewählten Journalisten zu teilen und energischen Schrittes zum Tagesgeschäft überzugehen.

  2. Ehrlich gesagt, habe ich mich am meisten über das „… neben meiner Berufs- und Abgeordnetentätigkeit als junger Familienvater in mühevoller Kleinstarbeit entstanden …“ am meisten aufgeregt.
    Das ist so ein Schlag ins Gesicht für alle anderen Doktoranden, die auch neben dem Job und Familie ihre Diss schreiben, dass mir schlecht wird. Und ich finde es auch auf eine befremdliche Art faszinierend, wie er noch verteidigt wird. Und wo wir schon dabei sind, es wäre tatsächlich irgendwo angemessen gewesen, wenn er über seine Politik stolpert, aber hey, ich nehme auch seine Diss.

  3. Danke für die Analyse. Bei der Zeile überkam mich das Gruseln. Noch ein Guttenberg-Text.
    Aber Deine Erklärung ist fast so gut wie die von Baron Münch. Jetzt bitte noch die Lierhaus.

    Fußnote: Damit sich nachher keiner aufregt: Das „Es wurde“ nutze ich ab jetzt auch.

  4. „Sehr schlau.“ Mag sein, aber nicht klug, ganz und gar nicht. Eher abstoßend, vor allem für jene, die sich mit ihrer Dissertation ehrlich abmühen.

  5. Sehr schöne Analyse – und übrigens ein sehr lesenswertes Blog. Nur ein Punkt stieß mir noch übel auf – das explizit „vorübergehende“ seines Verzichts. Denn anschließend, so nimmt er das Happy End in eigener Sache schlankerhand vorweg, würde“ er den Titel „wieder führen“. Dabei steht dem Wunderknaben das Wasser längst bis zum Hals! Wo lebt er eigentlich? Egal. Prognose: bis kommenden Mittwoch ist er weg.

  6. …. Zu nahe an ein Barschel-mäßiges Ehrenwort wollte er sich nicht begeben. Er entfernt sich so weit es geht persönlich von dem, was da getan wurde. Obwohl niemand als er es getan hat. Gute Technik.
    ….
    Quatsch. Der hat die Arbeit doch mit Sicherheit von seinen Leuten schreiben lassen. Insofern ist das „es wurde“ korrekter als „ich habe“.

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